Freitag, 10. Januar 2020

So verkauft der Lebensmitteleinzelhandel heute – Drei Trends im Überblick

Seit Jahren boomt das Online-Geschäft. Amazon und Co. haben den Markt erobert. Der stationäre Handel leidet unter dem Erfolg der Konkurrenz und droht dem digitalen Wandel zum Opfer zu fallen. Auch Lebensmittel kann man mittlerweile bei Amazon kaufen. Darin haben die Lebensmitteleinzelhändler zunächst keine Gefahr gesehen, denn Lebensmittel online zu erwerben – das kam den Deutschen lange komisch vor.

Doch der Trend ändert sich: Eine Studie im Auftrag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. hat ermittelt, dass bereits 33 Prozent der Deutschen schon einmal online Lebensmittel gekauft haben und sich vorstellen könnten, dies noch einmal zu tun. Vorteile der Online-Bestellung seien zeitliche Unabhängigkeit für den Einkauf, kein Tragen der Einkäufe und Zeitersparnis.

Es scheint, als ob die Online-Giganten auch für den Lebensmitteleinzelhandel zum Problem werden. Doch kampflos gibt sich dieser nicht geschlagen. Es gibt einige Trends, mit denen die Märkte Kunden halten und neue gewinnen wollen. Ich stelle Ihnen drei der aktuellen Trends vor.

Wäschereiservice im Supermarkt 

Einkaufen und Wäsche in die Reinigung bringen – zwei To-dos des Alltags, die jeder kennt. Vor allem nach einem langen Arbeitstag können die Laufwege zu den verschiedenen Geschäften schon einmal lästig werden. Und stressig zugleich, wenn die Reinigung um 18 Uhr oder 19 Uhr schon wieder schließt.

Wieso also nicht den Lebensmitteleinkauf mit dem Gang zur Textilwäscherei verbinden und so Laufwege einsparen? Das dachte sich die Rewe Group und ging im Juli 2019 eine Kooperation mit dem Kölner Start-up “Wasch Mal” ein. In drei Testmärkten konnten Kunden online oder per App einen Waschservice buchen. Anschließend gaben sie die dreckige Wäsche im Rewe-Markt an der Kasse oder an den extra eingerichteten Stationen ab. Dort konnten sie später frisch gewaschene und gebügelte Kleidung wieder abholen.

Das Konzept schien aufzugehen: Zwischen Oktober und Dezember 2019 kamen laut Waschmal-Geschäftsführer Stefan Brüssemaker 23 Filialen hinzu. Und nun sollen 30 weitere Filialen folgen. Die größten Vorteile seien, dass Umwege wegfallen und dass die Kunden durch die langen Öffnungszeiten der Märkte profitieren, so Brüssemaker. Neben Rewe bietet auch der Drogeriemarktbetreiber dm einen Wäschereiservice an. Er kooperiert mit der Henkel-Tochter Persil Service.

Kunde als Kassierer

Lange Schlangen an der Kasse nerven die Kunden. Durch die Warterei verlieren sie viel Zeit. Hinzu kommt, dass sie die Ware mühsam aus ihrem Einkaufswagen auf das Band und wieder zurück räumen müssen. Bei der Supermarktkette Globus ist damit seit einiger Zeit Schluss. Bis Ende 2018 hat der Mittelständler bereits 30 Märkte mit einem neuen Bezahlsystem ausgestattet: Scan & Go.

Im Eingangsbereich halten die Globus-Kunden ihre Kundenkarten unter ein Lesegerät und können sich anschließend einen Scanner von einer Stellwand nehmen. Der Scanner wird durch eine Halterung am Einkaufswagen befestigt. Nun scannt der Kunde jeden Artikel, den er aus dem Regal nimmt, bevor er ihn in den Einkaufswagen legt. Am Ende wird an einer Checkout-Station bezahlt. Die Einkäufe müssen nicht noch einmal an einer Kasse ausgepackt werden.

Ende 2018 sagte David Massing, Projektleiter Scan & Go bei Globus im Gespräch mit dem Handelsblatt: “Wir haben jetzt schon über 165.000 Kunden, die sich registriert haben und es nutzen”. Der Umsatz habe sich in den Märkten, in denen Scan & Go eingesetzt wird, um 30 Prozent erhöht.

Auch Amazon setzt auf ein System ohne Kassen. In Amerika sind die ersten kassenfreien Supermärkte Amazon Go schon vor einigen Jahren eröffnet worden. In Deutschland experimentieren Händler wie Real mit dem Self-Scanning. Allerdings müssen die Kunden hier jedes einzelne Teil an den Kassen selber scannen und sie dafür noch einmal aus dem Einkaufswagen nehmen. Ob man so überhaupt noch Zeit sparen kann? Vielleicht beantwortet die Tatsache, dass sich diese Selbstbedienungskassen immer noch nicht so richtig durchgesetzt haben, diese Frage

Plauderkasse

Auf eine komplett gegensätzliche Strategie setzt die niederländische Supermarktkette Jumbo. Vor kurzem hat sie eine Plauderkasse bei ihrem Markt in Vlijmen eingeführt, an der sich die Mitarbeiter extra Zeit nehmen, um mit ihren Kunden beim Kassieren ins Gespräch zu kommen.

Der Hintergrund dieser Idee ist weniger schön: Immer mehr Menschen, vor allem Senioren, leben alleine und haben nur wenige, mit denen sie sich unterhalten können. Zum Mittel gegen Einsamkeit wird nun der Besuch im Supermarkt. “Wir möchten, dass das Einkaufen Spaß macht”, berichtete Dick de Fjiter, Niederlassungsleiter von Jumbo Vlijmen dem Gerneral Anzeiger Bonn. Das heißt: Statt Hektik und Stress entspanntes Einkaufen mit Plaudereien.

Zusätzlich kooperiert die Supermarktkette mit einer Stiftung und hat einen “Kaffeeklatsch” eingeführt. Hier treffen sich Ehrenamtliche mit älteren Menschen für Gespräche. Außerdem helfen diese den Senioren beim Einkaufen oder im Haushalt.

Der Hintergrund dieses Trends: Der Supermarkt wird zur Wohlfühlatmosphäre. Ein Ort, an dem man gerne Zeit verbringt. Für manche wird das Einkaufen sogar zum Erlebnis. Und das ist etwas, womit der stationäre Handel dem Online-Handel voraus ist. Kein Wunder also, dass viele Supermärkte dieses Ass im Ärmel zu spielen versuchen.

Und woher nimmt das Personal die Zeit?

Den Kunden ein entspanntes Einkaufen zu ermöglichen, ist gleichzeitig aber zusätzlicher Zeitaufwand für das Personal. Supermärkte müssen also an anderer Stelle Zeit einsparen, wenn sie mehr Kapazitäten für ihre Kunden aufwenden wollen. Eine oft unterschätzte Möglichkeit Zeit einzusparen, ist die Lagerlogistik. Viele entsorgen aufwendig, obwohl es längst effizientere Lösungen am Markt gibt. Wenn Sie zum Beispiel eine automatische Ballenpresse einsetzen, in die Kartonage nicht mehr per Hand eingeführt werden muss, dann können Sie im Jahr um die 2016 Stunden einsparen. So erhalten Sie genug Zeit, um Trends wie die Plauderkasse in Ihrem Markt umzusetzen.

Strautmann Umwelttechnik GmbH